Er habe ein Rentier gesehen, erzählt Nanouk seiner Frau Sedna, als er zurück nach Hause kommt. Nanouk war jagen, doch es ist der fünfte Tag in Folge, an dem er nichts finden konnte. Nur das Rentier war da. Oder war es nur eine Fata Morgana? Eine flüchtige Erinnerung an früher?
Früher gab es noch Rentiere, ganze Herden sogar, die sich die Einheimischen hielten. Früher gab es ein traditionelles Leben. In Jurten, mit Fellen, aus denen sie sich Kleidung machten, mit Rentieren und Schlittenhunden, Fischsuppe und dem Gesang der Maultrommel. Und vor allem mit Geschichten über mythische Rentiere und Götter, die im ewigen Eis lebten. Doch die Götter sind weg, das Eis schmilzt jedes Jahr früher, und die Tiere gibt es nicht mehr. Und auch Ága, die Tochter, ist weg.
Nun sind Nanouk und seine Frau Sedna allein. Sedna ist schwer krank. Gerne würde sie über ihre Tochter Ága reden, die die Tundra nach einer Familienfehde verlassen hat, um in einer weit entfernten Diamantenmine zu arbeiten. Doch Nanouk spricht darüber nicht. Erst als sich Sednas Zustand verschlechtert, wagt er einen schwierigen Schritt.