Ein alter Hirte führt seine Herde auf die Bergwiesen im kalabrischen Hinterland. Den ganzen Tag verbringt er mit den Ziegen und seinem Hund, abends schafft er erschöpft kaum noch den Weg nach Hause. Das einzige Wort, das er zu einem Menschen sagt, ist "Grazie", als ihm die Hauswirtschafterin der Kirche eine Portion Staub von ihrer Kehrschaufel mitgibt. Der Hirte glaubt an die heilende Kraft des Kirchenstaubes und trinkt jeden Abend ein wenig davon, mit Wasser verrührt. Als der Hirte eines Tages stirbt, stehen nur die Ziegen an seinem Bett. Dann wird ein Zicklein geboren, eine Tanne wird gefällt, ein Fest gefeiert, Holzkohle hergestellt. Fast ohne Worte spürt der Film von Michelangelo Frammartino dem Kreislauf des Lebens in diesem Landstrich nach, in dem dörfliche Kultur und umgebende Natur untrennbar miteinander verflochten sind.
In stillen Aufnahmen betrachtet Frammartino die an einen Hang gepresste Häusergruppe, blickt von oben auf eine enge Gasse, sucht das Panorama der grünen Bergketten. Auf der meistens menschenleeren Dorfstraße am Rande des Ziegengeheges gibt es hin und wieder kleine Dramen: Der Hirte wirft einen Stein aus dem Fenster, Männer legen ihn als Bremsklotz hinter das Rad ihres Autos, der Hirtenhund stößt ihn weg, das Auto rollt ins Gehege, die Ziegen laufen raus. Was wie eine Dokumentation unter Einbeziehung der Dorfbewohner aussieht, ist eine sorgfältige Komposition, die Überlegungen zur Seelenwanderung anstellt. Frammartino widmet die vier Episoden seines Films verschiedenen materiellen Körpern, die er vom gleichen Geist bewohnt sieht: dem Menschen in Gestalt des Hirten, dem Tier in Gestalt des jungen Zickleins, der Pflanze in Gestalt einer mächtigen Tanne und dem Mineralischen in Gestalt der knisternden Holzkohle, die nach alter handwerklicher Tradition hergestellt wird.
Der Regisseur verweist im Presseheft auf den animistischen Glauben der Bewohner und vermutet, dass sich schon Pythagoras, der im 6. Jahrhundert vor Christus auf dem Gebiet des heutigen Kalabriens lebte, von den Eindrücken hier zu seiner Vorstellung über die seelische Wiedergeburt in verschiedenen körperlichen Formen inspirieren ließ. Er selbst habe sich auch für das filmische Experiment mit dem Wechsel der Perspektiven interessiert, so der Regisseur weiter.
Frammartinos Gedicht für die Sinne ist jedoch so offen für individuelle Erkenntnisse, dass es nicht unbedingt in Verbindung mit Seelenwanderung betrachtet werden muss. Das Fehlen menschlicher Sprache lässt das Ohr aufmerksam werden für das Zirpen der Heuschrecken, das Schnaufen eines Zickleins, das Schlagen der Kirchturmuhr. Die Kamera entdeckt ungewohnte Motive wie die Gesichter von Ziegen. Ihre Mienen haben etwas Nachdenkliches. Die Tiere machen sich offenbar ihren Reim auf die Umwelt, selbst in ihrem geduldigen Warten scheint eine Frage an die Außenwelt zu liegen. Der alte Hirte richtet auf seinen Wegen den Blick nicht nur nach draußen, seine Haltung ist auch nach innen gekehrt, als denke er über den Sinn des Lebens nach. Der Himmel ist oft bedeckt, vielleicht meidet der Film die sengende Hitze des Sommers und sucht eher das kühle, feuchte Wetter, um das Auge zu erfrischen, um zugleich aber auch das Gemüt von Höhenflügen abzuhalten.