Die Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn spielt am Mississippi. Das weiß jeder. Während sich viele Verfilmungen vor allem am äußerlichen Reiz der pittoresken Ort- und Landschaften orientieren, geht Norbert Lechner einen gänzlich anderen, ebenso mutigen wie reizvollen und dabei höchst erfrischenden Weg, indem er Mark Twains Fabel in einen historisch und gesellschaftlich völlig anderen Zusammenhang überträgt – und siehe da: Auch in einer bayrischen Kleinstadt im Mai 1948 während der unsicheren und wirren Jahre der unmittelbaren Nachkriegszeit erweist sich die Fabel als tragfähig, bleibt spannend und ist zudem überraschend erkenntnisreich. Die Kinderstreiche, die wilden Fantasien der Jungs und ihr großspuriges Aufschneiden, vor allem um einem Mädchen wie der scheuen, am Ende aber sehr tapferen Biggi zu imponieren, die Konflikte um Freundschaft, Loyalität und Gerechtigkeit – das alles gibt es auch hier und dazu noch die Befindlichkeiten der konkreten deutschen Nachkriegssituation: den Schock und die physischen wie mentalen Folgen eines verlorenen Kriegs, die Nöte, Ängste und Verzweiflung angesichts des im Mai 1948 noch nicht absehbaren Neubeginns. Dass er den Mut hatte, konsequent den dialektalen bayrischen Zungenschlag durchzuhalten, trägt eindrucksvoll zum „Klangbild“ des rundum schönen Jugendfilms bei.