Im herausragenden, analog gedrehten Debütfilm von Milena Czernovsky und Lilith Kraxner verbringt die junge Beatrix einen Sommer in einem abgeschiedenen Haus und tut, so gut sie kann (gut!), nichts. Verweigerung, Trotz, Angst – keiner dieser Gründe trifft voll zu. In diesem Nichts nach „irgendetwas!“ zu suchen, selbst das hat Beatrix nicht im Sinn. Ein herrlich freies Plädoyer für die Selbstverwirklichung, ganz ohne Zweck. Mehr geht nicht.
Irgendwo hat irgendjemand irgendwann (wohl nicht nur dort, nicht nur der*die und nicht nur dann) mit Sicherheit gesagt: „Man kann nicht nichts tun.“ Man kann nicht nicht kommunizieren. Nicht nicht denken. Nicht nicht sein. Zumindest solange man lebt. Beatrix (großartig: Eva Sommer), die titelgebende Protagonistin in Milena Czernovskys und Lilith Kraxners herausragendem Debütspielfilm, versucht es trotzdem. An einem nicht näher definierten Ort (ein abgeschiedenes Haus auf dem Land, das sie diesen Sommer über allein bewohnt) tut sie so wenig wie möglich. Wenn sie schläft, träumt sie nicht, wenn sie nicht schläft, lümmelt sie. Sie liegt, sitzt, rollt durch den Garten, und manchmal geht sie ins Bad, um sich zu schminken. Für den Besuch einer Freundin beispielsweise, auf den sie sich sehr freut – und dann keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung macht, als diese ihren Freund mitbringt. Da macht Beatrix doch etwas: Sie ekelt ihn hinaus, um dann wieder nichts tun zu müssen, das sie nicht will. Zum Beispiel sich mit ihm unterhalten. Wenn Beatrix allein ist, fühlt sie sich frei, das zeigt, gar nicht paradox, die statische Kamera (gefilmt im Super16-Format, vorgeführt in 4:3), genau kadrierte Einstellungen, die einen Respektraum schaffen für die ungenierte Bewegung ihres Körpers. Der Zweck des Selbst: die Selbstverwirklichung, ganz ohne Zweck. Mehr geht nicht.
(Katalogtext, az)
Ist Beatrix ein abschreckendes Beispiel für die Wohlstandsverwahrlosung der westeuropäischen Jugend? Oder ein heldenhafter Bartleby, eine feministische Verweigerungskünstlerin, die sich mit Untätigkeit überkommenen Rollenmustern entzieht? Sollen wir sie bemitleiden oder ihr nacheifern?
(Andrey Arnold, Die Presse)
Durchgehend bleiben wir mit Interesse und ohne ein Gefühl von Voyeurismus bei dieser nicht einmal besonders sympathischen Person, bei ihren täglichen Verrichtungen, ihrer Langeweile, ihrem eher lust- und energielosen Dahinleben in dem fremden Haus. Dieses Wunder vollbringen die Regisseurinnen mit minutiös kadrierten Bildern (…) und einer intimen, zugleich unaufdringlichen Nähe, aus der heraus wir die Veränderung eines Menschen, die im Alltag für uns kaum merklich bleibt, quasi in Echtzeit eher erspüren denn beobachten.
(Barbara Kronsfoth, Katalog Viennale 2021) )