Von der Weltöffentlichkeit unbemerkt, spielt sich im August 1950 auf der Südtiroler Hochebene des Reschenpasses eine menschliche Tragödie ab. Fast über Nacht wird das blühende Dorf Graun durch ein von staatlicher Willkür und Profitdenken geprägtes Stauseeprojekt vollständig unter Wasser gesetzt. Ohnmächtig müssen die Bewohner mit ansehen, wie ihre Häuser gesprengt werden und alle Äcker, Wiesen und Felder im Stausee versinken. Im eilig errichteten Barackenlager am Ufer finden nur wenige Familien Platz, die meisten müssen das Tal für immer verlassen. Von der Grundlage ihrer einstigen Existenz, der fruchtbaren Hochebene, bleibt nur mehr eine Wasserwüste, aus welcher der Kirchturm von Alt-Graun hervorragt, einem gespenstischen Mahnmal gleich.
Heute, 65 Jahre später, steht anstelle der Barackensiedlung das neue Graun malerisch am Seeufer. Trotz der Postkartenidylle wollen die Wunden der Alten aber nur langsam heilen. Der See ist für sie noch immer Sinnbild für erlittenes Unrecht. Oft fließen Tränen, wenn sie vom alten Dorf erzählen, und nie würden sie mit der „Hubertus“, dem Ausflugsschiff, „über ihre alte Heimat“ fahren, wie es der vertriebene Grauner Alois Messmer im weit entfernten Nonstal auf den Punkt bringt.
Gegenwärtig vollzieht sich in Graun ein spannender Generationswechsel und eine neue Zeit bricht am See an. Eine junge Generation ist herangewachsen, welche die Seestauung nur mehr aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kennt. Mit der Tatsache des Stausees aufgewachsen, nutzen die Jungen den Reschensee heute als Erholungsraum, Tourismuskapital oder als Abenteuerspielplatz und wagen sich allmählich an die vorsichtige Vermarktung der einzigartigen Vergangenheit ihres Dorfes. Mit neuem Selbstbewusstsein ist die Generation der Nachgeborenen im Begriff, sich aus der lähmenden Umklammerung der Kraftwerksgesellschaft zu lösen, und nach jahrelangem zähen „Stromstreit“ partizipiert die Gemeinde nun endlich auch wirtschaftlich am Stausee. Lange Zeit als Fremdkörper betrachtet, wird der Stausee so zur gelebten Realität.
In diesem spannenden Zeitfenster, in dem die letzten Zeitzeugen noch am Leben sind und die Jungen schon zu neuen Ufern aufbrechen, spielt "Das versunkene Dorf". Eingebettet in einen Spannungsbogen zwischen gestern und heute geht der Film in berührender Weise den Fragen nach Heimat und Heimatverlust nach. Er beleuchtet die historisch noch kaum aufgearbeiteten, hochdramatischen Umstände der Seestauung und zeigt, welche Auswirkungen sie auf spätere Generationen hat.