Sonntag, 21.12., 20:30 Uhr, Kino Seefeld
Das dokumentarische Kurzfilmprogramm ist eine kleine Reise in die Arbeitswelt des 20. Jahrhunderts: durch Werkstätten und Fabriken, Industrieanlagen und –ruinen. Die Landschaften und Gesichter erzählen von einer schonungslosen Ausbeutung der Ressourcen. Die freie Zeit der Arbeitenden ist kurz bemessen. Im Land der Werktätigen stehen neben Tanz und Trank Bildungsangebote auf dem Plan. Ein Abgesang auf die harte Arbeit vor der Ära 2.0 mit ihren Co-Working Spaces.
CHEVEUX ET CHICHIS, FR 1911, s/w, 6 min., stumm. Welche Assoziationen können Berge von abgeschnittenen Haaren wecken? Dokumentarischer Film über manuelle Perückenherstellung mit hohem Kuriositätswert.
SALINAS, Raimond Ruehl, BRD 1959, s/w, 11 min. Salzernte in einer großen Saline am Mittelmeer. In kontrastreichem Schwarzweiß erfasst die Kamera die Arbeitsvorgänge eines vorindustriellen Verfahrens, deren Ausführung einer tänzerischenChoreographie in einer Schneelandschaft gleicht.
RHEINSTROM, Peter Nestler, BRD 1965, s/w, 13 min.Der poetische Provokateur Peter Nestler porträtiert den Rhein als eine Landschaft der Arbeit. Winzer, Flussschiffer und Hafenarbeiten besiedeln seine Ufer.
NACHTSCHICHT, Gisbert Hinke, BRD 1957, s/w, 10 min.Beginn der Nachtschicht in einem Bergwerk im Ruhrgebiet: Ablsung der Kumpels, Fahrt hinab untertage. Dazu ein Feuerwerk der Stahlindustrie untermalt von experimentellen Jazzklängen.
ZUM ACHTEN MAL, Ulrich Weiß, DDR 1972, s/w, 9 min.Heute kommen die Arbeiter eines Braunkohlekraftwerkes im Anzug zur Arbeit, denn nach Schichtschluss spielt das Staatliche Orchester Leipzig. Ulrich Weiß machte aus der Auftragsarbeit einen künstlerischen Film.
WÄSCHERINNEN, Jürgen Böttcher, DDR 1972, s/w, 23 min.Sie sind jung, sie scherzen und arbeiten schwer: die Frauen, die Jürgen Böttcher bei der Arbeit in einer Ost-Berliner Großwäscherei zeigt. Dampfschwaden, rotierende, lärmende Trommeln,überlaufendes Wasser und immense Wäscheberge gehören zuihrem Alltag.
TITANICA, Harry Rag, BRD 1988, s/w, 11 min.In Cinema-Scope kündigt dieser Film das postfordistische Zeitalteran. Wo in früheren Industriefilmen Menschen bei der Arbeit gezeigt wurden, herrscht hier über- und untertage eine Poetik der Leere und Maschinen.
Weitere Infos auf www.kurzfilmtag.de
Mittwoch, 17.12., 20:00 Uhr Seefeld
Im Gespräch mit Susanne Hauenstein
Die Tunisreise von Paul Klee und seinen Malerfreunden
«Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht mehr nach ihr zu haschen.»
Die knapp dreiwöchige Reise, welche die drei Malerfreunde Paul Klee, August Macke und Louis Moilliet auf Einladung des dort wohnhaften Berner Arztes Ernst Jäggi im April 1914 unternommen haben, ist zu einem kunsthistorischen Schlüsselereignis des 20. Jahrhunderts und zu einem Mythos der Moderne geworden.
Ein Mythos, überstrahlt von der Aura des Fremden und Exotischen, vom Schein des Lichts und der Farben - ein Mythos, den Paul Klee selbst mit seinem berühmt gewordenen Tagebucheintrag begründet hat: «Ich lasse jetzt die Arbeit. Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiss. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht mehr nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.»
Angesichts der Fülle der Farben und der Intensität des natürlichen Lichts der nordafrikanischen Landschaft gelangen Klee eine Reihe zarter Aquarelle von eindrücklicher Klarheit und Leuchtkraft.
Klee, der als Zeichner über Jahre sehr selbstkritisch gegenüber seiner Arbeit als Maler gewesen war, sah in den Tunisaquarellen seinen eigentlichen “Durchbruch” zur Farbe. Aus heutiger Sicht ist diese Ausschliesslichkeit zu relativieren, wissen wir doch, dass der Künstler – unter dem Eindruck von Robert Delaunays Farbkonzept des Orphismus – schon vor seiner Reise nach Tunesien Aquarelle geschaffen hat, die sich technisch, aber auch formal und hinsichtlich ihrer Farbpalette kaum von den in Nordafrika entstandenen Arbeiten unterscheiden.
Während des knapp zweiwöchigen Aufenthalts in Tunesien, wo Klee, Macke und Moilliet Tunis, Sidi Bou Said, Hammamet und Kairouan besuchten, malte Klee etwa 30 Aquarelle. Der Künstler beschäftigte sich nach seiner Rückkehr jedoch weiter mit dem Thema, so dass die Anzahl der auf Tunesien verweisenden Arbeiten wesentlich höher liegt. So hat Klee am Blatt «Teppich der Erinnerung», 1914, 193 nachweislich bis ins Jahr 1921 gearbeitet.
Charakteristisch für die Komposition der Tunis-Aquarelle ist die lockere Aufteilung der Bildfläche in geometrische, aber nicht schematisch wirkende transparente Farbfelder. Die Skala erstreckt sich über den Bereich der Primär- und Sekundärfarben, deren Leuchtkraft beruht vor allem auf der Wirkung von Komplementärkontrasten (rot-grün, blau-orange, gelb-violett) beruht, die Klee nuanciert einsetzte.
Anhand der Aquarelle aus den Jahren 1914/1915 lässt sich der zunehmende Grad an Konstruktion und Abstraktion im Verlaufe der Tunisreise nachvollziehen. Noch zu Beginn hatte Klee selbstkritisch geschrieben: «Sofort ans Werk gegangen und im Araberviertel Aquarelle gemalt. Die Synthese Städtebauarchitektur – Bildarchitektur in Angriff genommen. Noch nicht rein, aber ganz reizvoll, etwas viel Reisestimmung und Reisebegeisterung dabei, eben das Ich. Das wird später schon noch sachlicher werden, wenn der schöne Rausch etwas verrauchen wird.»
Im Vergleich dazu sind Arbeiten wie «vor den Toren v. Kairuan», 1914, 216 oder «Landhäuser am Strand» von der Klärung der “Bildarchitektur” geprägt. Auch sie sind nicht vollständig abstrahiert, sondern tragen Spuren der Arbeit vor dem Motiv: So sind auf den Schmalseiten der Blattes jeweils noch die Leerstreifen der elastischen Haltebänder sichtbar, mit denen Klee das Papier auf den Malkasten spannte. Unterstützt wird der Eindruck der Gegenwärtigkeit durch sparsame Zeichen, die als Silhouetten auf gegenständliche und architektonische Motive verweisen.
Einen lebhaften Eindruck von der Reise der drei Malerkollegen vermitteln Klees Aufzeichnungen in den Tagebüchern, die in ihrer Mischung aus anekdotischer Erzählung, stimmungsvoller Schilderungen und poetischer Vertiefung den Charakter einer künstlerischen Selbstdarstellung haben.
Mittwoch,10.12., 19:30 Uhr, Seefeld & 17.12., 19:30 Uhr, Starnberg
ES 2012, 71 Min., FSK ab 12 Jahren, Regie: Paco León
Carmina, 58, betreibt eine Bar in Sevilla, Zum wiederholten Male wird sie bestohlen, diesmal werden ihr 80 Schinken entwendet. Als ihr die Versicherung mitteilt, dass sie den Schaden nicht bezahlt, muss sich Carmina etwas überlegen...
Mittwoch, 17.12., 19:30 Uhr, Starnberg
Zum 20. Todestag von Gian Maria Volonte
Mit Einführung durch Ambra Sorrentino-Becker
Cristo si é fermato ad Eboli
IT 1079, Regie. Francesco Rosi, mit Gian Maria Volonte
Ein Klassiker des Films! Ein Turiner Arzt wird als Opponent des faschistischen Staates 1935 in ein abgelegenes süditalienisches Nest verbannt wird. Dabei erfährt er allmählich das ihm fremde, archaische und elende Leben des Ortes.
Kritik:
Laut dem Fischer Film Almanach 1981 werde die literarische Vorlage „sorgfältig und optisch eindringlich“ umgesetzt, so getreu wie möglich, ohne dem Text wörtlich zu folgen, sondern hinsichtlich der Struktur. Dank des Hauptdarstellers und der Kameraarbeit „ist dieser Film zu einem differenzierten Kulturdokument und zugleich zu einem cineastisch in Farbe und Licht, Schatten und Stimmung, Montage und Rhythmus herausragenden Ereignis geworden.“[2] Die Zoom stellte einen Stilwandel Rosis fest, von realistischen Politthrillern hin zu einer „ethnographisch-anthropologischen Analyse“ der süditalienischen Kultur. Der Film besitze „Wärme und eine fast klassisch anmutende Gestaltung“. Die „außerordentlich behutsame und poetische Erzählweise“ entspreche der Vorlage, die Geschichte sei „nicht als naturalistischer, polemischer Bericht über den fortdauernden Pauperismus des Südens konzipiert, sondern als einfühlsame Begegnung zweier Kulturen.“ Die karge Landschaft hätten Kameramann De Santis und Rosi in „grossartigen“ Bildern eingefangen.
Das Lexikon des Internationalen Films lobte den Hauptdarsteller, die Ästhetik der Landschaft und das „sich differenzierende Verständnis“ für das Wesen Süditaliens.[3] Im evangelischen Filmbeobachter wurde der Film als Christusallegorie gedeutet. Die Hauptfigur, der verbannte Arzt, gewinne das Vertrauen der örtlichen Bevölkerung gerade durch seine Passivität und sein Schweigen; er unterlasse eine zivilisatorische Missionierung ebenso wie eine verlogen-einschmeichlerische Anpassung. Sie akzeptierten ihn, „weil der Arzt gerade ‚nichts will‘, weil er bescheiden, unaufdringlich, ohne weltstädtischen Hochmut, durch reine Anschauung die Menschen dazu bringt, auch ihn wahrzunehmen, als einen Menschen, der zwar anders ist, aber doch auch genauso ein Mensch wie sie.“ Erst dank dieses Vertrauens gelinge es ihm, die Bevölkerung zu humanisieren – so komme eine Christusgestalt doch noch in dieses Dorf. Darum handele es sich um einen der religiösesten Filme der letzten Jahre.
Wiederholung, 25.12., 11 Uhr Herrsching, ohne Einführung
Dienstag, 16.12.2014, 19:30 Uhr, Herrsching
Dokumentarfilm über Zwangsprostitution und Armutsvermarktung in der EU
D 2012, R.: Marion Leonie Pfeifer
90 Min. Interviews OmdU, FSK 16
Neben dem Drogen- und Waffenhandel gilt die Versklavung mittlerweile als das lukrativste Geschäft der Organisierten Kriminalität. Seit der EU-Osterweiterung ist der Nachschub schier unerschöpflich.
Die Dokumentation "Zeit der Namenlosen" von Marion Pfeifer thematisiert Zwangsprostitution und Armutsvermarktung in der EU. Anhand der Aussagen von Opferzeuginnen, Mitarbeiterinnen rumänischer und deutscher NGOs sowie von Kriminalbeamten des BKA und des Polizeipräsidiums München sollen die perfiden Strukturen des Frauenhandels aufgezeigt werden.
Anschließendes Filmgespräch mit der Regisseurin Marion Pfeifer sowie Inge Bell, Slavistikwissenschaftlerin, Buchautorin, führende Journalistin und Filmemacherin zum Thema Menschenhandel (ARD/ZDF/arte), EU-Botschafterin und Mitglied im "Aktionsbündnis gegen Frauenhandel". Inge Bell wurde 2007 für ihren humanistischen Dialog zwischen Ost- und Westeuropa mit der Auszeichnung "Frau Europas" geehrt.
Donnerstag, 11.12., 20:00 Uhr, Seefeld
Wir laden Sie herzlich zur Filmvorführung des Filmes WIEDERSEHEN MIT BRUNDIBAR ein. Im Anschluss diskutieren wir zusammen mit dem Regisseur Douglas Wolfsperger über den Film.
Noah, Fatma, Charlene und Alexander haben sich wie die meisten ihres Alters intensiv, aber auch - wie sie meinen - zu viel mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigt. Und jetzt sollen sie auch noch in einem Musiktheaterstück mitspielen, das sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt!? Die 15- bis 20-jährigen kommen aus sozial schwierigen Verhältnissen und sind junge Menschen, die viel zu früh viel zu viel Verantwortung übernehmen und mit Gewalt, Intoleranz, Missbrauch umgehen mussten. Sie studieren die Kinderoper Brundibár ein, die im Ghetto Theresienstadt in den Jahren 1943 und 1944 über fünfzig Mal von inhaftierten Kindern aufgeführt wurde. Eine der wenigen überlebenden Schauspielerinnen von damals ist Greta Klingsberg, die von den Kindern und Jugendlichen eingeladen wird, der Aufführung beizuwohnen. Zusammen mit ihnen erlebt sie das Stück neu.
Mittwoch, 10.12., 19:00 Uhr, Starnberg
Mit Einführung durch Thomas Lochte
Garp und wie er die Welt sah
USA 1987, 136 Min., FSK ab 16 Jahren, Regie: George Roy Hill, Darsteller: Glenn Close, Mary Beth Hurt, Robin Williams
Die Geschichte über den skurrilen T. S. Garp und seine feministische Mutter ist grotesk und tragikomisch. Es handelt sich um die Persiflage eines Bildungsromans und um eine Art Schelmenroman, denn Garp muss sich in einer chaotischen, aus den Fugen geratenen Welt voller Gewalt und Sexualität bewähren.
George Roy Hill spielt übrigens den verunglückten Piloten des Privatflugzeugs, und John Irving, der seit seinem vierzehnten Lebensjahr Ringer ist und sich später eigens eine private Sporthalle bauen ließ, tritt als Ringrichter auf.
Die Songs stammen von Michael Bruce ("Long Way to Go"), Mack Gordon und Harry Warren ("There Will Never Be Another You"), John Lennon und Paul McCartney ("When I'm Sixty-Four").